Vom Leben der Kunst
Hans-Peter Wittwer

Vom Leben der Kunst

Jacob Burckhardts Kategorien Existenzbild und Existenzmalerei und ihre historischen Voraussetzungen

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Im Zentrum der vorliegenden Studie steht Jacob Burckhardts kunsthistorisches Schaffen. Burckhardt unterscheidet bei den Werken der bildenden Kunst, vor allem der Malerei, eine mehr die Erzählung betonende und eine eher das Dasein herausstellende Auffassungsweise, wodurch die bei Giorgio Vasari überlieferte Gegenüberstellung von disegno und colore abgelöst werden sollte. Wie Vasari siedelt auch Burckhardt die beiden Darstellungsprinzipien in den Städten Florenz und Venedig an: Florenz (bei Vasari Stadt des disegno oder der Zeichnung) verkörpere die erzählende Malerei, Venedig (für Vasari Zentrum des colore oder der Farbe) die Heimat der Existenzmalerei. Und wie sein Vorgänger weist Burckhardt den beiden Malweisen ein bestimmtes Verhältnis zu geistigen Dingen zu. Allerdings erweitert er das Spektrum der Kriterien und untersucht bei Kunstwerken nicht nur ihr Verhältnis zur Realität und zum Verstehen wie Vasari, sondern verbindet sie auch mit der Ruhe (nach Winckelmann), der Freiheit, dem Glück, der Poesie oder dem Pathos.

Beim Nachzeichnen dieser dualistischen Kunstgeschichte, die in Burckhardts Schriften immer im Hintergrund bleibt und wohl auch deshalb wenig Aufmerksamkeit auf sich zog, entdeckte der Autor die zentrale Bedeutung des Begriffs Leben für Burckhardts kunsthistorische Darstellung. Tatsächlich lässt sich feststellen, dass der Ausdruck Leben in seinen verschiedenen Formen nicht nur die Wirkung von Kunstwerken umschreibt, sondern von Burckhardt gezielt zur Formulierung seiner Auffassung vom Wesen und der Geschichte der Kunst herangezogen wird. Die Kunst stellt nach Burckhardt nicht nur Leben dar, sie verfügt selbst über ein Leben, das ihr eine weitgehende Selbständigkeit der Geschichte gegenüber zuerkennt, so dass ihr Werdegang durch die Jahrhunderte als ein aus eigener Schwäche oder Kraft erfolgtes Absterben oder Wiederaufleben -wie in der Renaissance - verstanden werden kann. In die Vorstellung von einem Leben der Kunst wird auch ihre Wirkung auf den Betrachter einbezogen, die Burckhardt nach dem schon bei Goethe bezeugten Begriff Mitleben als Mitlebenmachen formuliert. Mit diesem Vorstellungszusammenhang, der seiner Kunstgeschichte eine bisher wenig beachtete Kohärenz verleiht, bewegt sich Burckhardt innerhalb eines Wortgebrauchs, der in das 16. Jahrhundert zurückreicht. Das Existenzbild erweist sich dabei als jene Malerei, in der sich das Leben der Kunst am reinsten zu verwirklichen vermag.

Nach Untersuchungen zur literarischen Gattung von Burckhardts kunsthistorischen Texten und zu ihren der (musealen) Seherfahrung oder der Literatur entnommenen Voraussetzungen beleuchtet Hans-Peter Wittwer Burckhardts Urteile über drei Maler des venezianischen Existenzbildes: Giovanni Bellini, Giorgione und Tizian. Der Leser kann hier mitverfolgen, wie sich Burckhardts Einschätzungen aufgrund seiner unermüdlichen Forschungstätigkeit gewandelt haben, und er erhält einen Hinweis auf eine mögliche Anregung zur prinzipiellen Unterscheidung von erzählender Malerei und Existenzmalerei durch einen Briefwechsel der Hochrenaissance. 

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Bibliographische Angaben

Seitenanzahl 391 arabisch
Abbildungen 64 s/w
Format 16 x 23 cm
Bindung Buch, Gebunden
ISBN 978-3-7965-2019-8
Erscheinungsdatum 29.10.2004

Autor/in

Hans-Peter Wittwer, geb. 1961, Dr. phil. Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Volkskunde. Assistent am Kunstmuseum Luzern, Lehrtätigkeit an der Universität Basel, seit 2003 Mitarbeiter der Schweizerischen Kulturstiftung Pro Helvetia. 1997 richtete er im Architekturmuseum Basel eine Ausstellung über Jacob Burckhardts Photographien ein.