Die Seele – ein iPad?
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Seele und Tablet – ein unzertrennliches Paar?

Was hat die Seele mit dem iPad zu tun? Auf den ersten Blick: nichts. Doch bei genauerem Hinsehen entpuppt sich das schwer fassbare menschliche Innere, das unser Lebendigsein bescheinigt und unser Gewissen konstituiert, überraschend affin zum technischen Must-have der gegenwärtigen Zeit, dem Tablet. 

Wird die heutige Technik nicht – wie so oft – als Entfremdung des Menschen von sich selbst betrachtet, enthüllt sie überraschende Überreinstimmungen mit der menschlichen Seele und den jahrhundertealten, mannigfaltigen Versuchen, sie zu beschreiben und zu fassen. – Ein gewagter Vergleich?

Sowohl die Seele als auch das iPad haben ein Erinnerungsvermögen, beides sind Tafeln, auf denen gelesen, geschrieben, archiviert wird. Auf den ‹Block› verweist nicht nur das englische ‹pad›, auch die antiken Vorstellungen der Seele greifen auf das Bild der Wachstafel zurück – die Wachstafel als tabula, auf der geschrieben und gelöscht wird, so etwa bereits bei Platon, aber auch viel später bei Sigmund Freud oder Jacques Derrida.

Die Schrift, in- oder ausserhalb des menschlichen Geistes, ist zugleich Ursprung unseres Gewissens wie Grundelement jeder sozialen Realität. Unmöglich, sich eine Gesellschaft ohne Formen der Erinnerung vorzustellen, denn seit jeher stützt sie sich darauf: sei es über den Ritus, über das Archiv und Urkunden aller Art bis hin zum Computer. Auf die Erinnerungsfähigkeit der Schrift bezieht sich nicht nur unser gesamtes Leben, auch unser Überleben wird erst dadurch ermöglicht.

So hat denn auch die grosse technologische Wende der letzten Jahre genau jenes Element in den Blick genommen: die Schrift, wofür das iPad heute emblematisch steht. Das iPad – in ausgeschaltetem Zustand nützlich als Spiegel unseres äusseren Erscheinungsbildes – wird, sobald eingeschaltet, zum Spiegel der Seele.     

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Bibliographische Angaben

Reihe Schwabe reflexe
Seitenanzahl 194 arabisch
Format 12 x 19.5 cm
Bindung Buch, Broschiert
ISBN 978-3-7965-3333-4
Erscheinungsdatum 02.12.2014

Autor/in

Maurizio Ferraris ist Professor für Theoretische Philosophie an der Universität Turin. Er ist Kolumnist für die italienische Tageszeitung La Repubblica und (Mit-)Herausgeber mehrerer Zeitschriften, u.a. der Rivista di Estetica. Maurizio Ferraris war Research Fellow und Visiting Professor an zahlreichen europäischen und amerikanischen Universitäten, zuletzt 2013/2014 am Käte Hamburger Kolleg ‹Recht als Kultur› in Bonn. Als Verfasser des Manifesto del nuovo realismo (2011) gilt er als Gründer der neorealistisch geprägten Philosophie ‹nach› der Postmoderne.

Maurizio Ferraris ist Autor von über vierzig Monographien, zuletzt erschienen sind Lasciar tracce. Documentalità e architettura (Mimesis 2012) und Filosofia globalizzata (Mimesis 2013).